20. Januar 1998
Moderator Stefan Quante (WDR) im Gespräch mit Prof. Gui Bonsiepe (FH Köln).
Die Designausbildung an der Fachhochschule Köln (seit 2002 KISD – Köln International School of Design) ist ein Modell-Projekt, welches engagiert und heftig diskutiert wird. Anlass, die Designausbildung während der Kölner Möbelmesse 1998 exemplarisch und öffentlich zu diskutieren, Kritik zu benennen sowie Ideen und Innovationen auszuhecken und Impulse zu geben.
Die Podiumsdiskussion unter dem Titel „Design morgen – Lehre oder Leere“ organisierte Joachim Schirrmacher mit drei Komilitonen. Elf Auftrag- und Arbeitgeber fragte Joachim Schirrmacher per Video „Was muss ein Designer können“. Eine heftige Diskussion entbrannte, die das Fachmagazin Horizont fortführte.
Die Podiumsdiskussion soll Impulse geben, damit sich die Design Lehre verändert und in Folge das Design. Die Chancen dafür stehen gut. So wird auf der Europäischen Designkonferenz in Potsdam unter dem Motto „Zukunftsbilder fürs Design“ die Hochschulbildung ebenso eine Rolle spielen wie Anfang Februar in einer Diskussion von Hamburgdesign. Impulse von hier werden dort aufgenommen und so kann ein Netzwerk entstehen.
Die Veranstaltung wird von der „Design-Initiative der deutschen Wirtschaft“ einem Zusammenschluß u.a. des Bundesverbandes der Deutschenindustrie, des Deutschen Industrie- und Handelstages, des Bundesministerium für Wirtschaft, sowie sieben Berufsverbänden und 18 Design Zentren, ideell unterstützt.
Design morgen – Lehre oder Leere
Die bisherige Diskussion und unsere eigenen Erfahrungen beflügeln die Erkenntnis, dass sich die Design-Lehre radikal verändern muss. Die wachsende Brisanz der Thematik, etwa durch den Streik gegen das Hochschulrahmengesetz sowie die „Bildungsrede“ von Bundespräsident Roman Herzog, verdeutlicht die Defizite und die mangelnde Zukunftsorientierung auch der Design-Ausbildung.
Wir müssen daher die Auswirkungen der zunehmenden Globalisierung und die Wissensexplosion berücksichtigen und dementsprechend die Grenzen der einzelnen Disziplinen perforieren, um multi-disziplinär und daher praxisgerecht kooperieren zu können.
Demzufolge stehen u.a. folgende Fragen an: Werden im Design GeneralistInnen oder SpezialistInnen benötigt? Ist es angesichts der Halbwertzeit und der immensen Fülle von Wissen überhaupt noch sinnvoll, Grundlagen zu vermitteln – und wie werden diese dann gelehrt – oder geht es darum Lernen zu lernen? Wenn allerorten neben ökonomischer, ökologischer und kultureller Kompetenz auch umfassende soziale und emotionale Kompetenz gefordert wird, muss dann nicht neben dem Fachwissen auch die Persönlichkeit gebildet werden? Sollen die Unternehmen in die Lehre einbezogen werden, oder steht deren Marktorientierung der wissenschaftlichen und kulturellen Ausrichtung entgegen?
Um konkrete und streitbare Impulse zu diesen Fragen zu geben, haben wir aus den relevanten Bereichen Gäste zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Die Teilnehmer und ihre Thesen:
• Prof. Gui Bonsiepe, u.a. Lehrender an der Hochschule für Gestaltung Ulm und dem Fachbereich Design der Fachhochschule Köln
„Vier Inhalte sind wichtig: interlektuelle, soziale (Teamfähig), technische (Machbar) und wirtschaftliche (Umsetzbar).“
„Es gab drei Veränderungen in den letzten zehn Jahren: Technologisch (Digital), Markt und Management (Design wird strategisch eingesetzt).“
• Fritz Frenkler, President Wiege, Wilkhahn Entwicklungsgesellschaft
„Design ist Diktatur – der Stärkere setzt sich durch. Design ist Show – Rhetorik ist wichtig um Menschen für sein Projekt gewinnen zu können.“
• Lola Güldenberg, Absolventin des „Kölner-Modells“, Werbeagentur Grey
• Dr. Wolfgang Lieb, Staatssekretär, Ministerium für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen.
„Forschung ist Selbstverwaltung der Wissenschaft. Mit der Integration der Werkschulen in den Fächerkanon der Fachhochschulen sollte das Design aus seiner isolierten Form gelöst werden. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt, auch nicht in Köln. Die Kernfrage ist: Ist Design ein Annex oder ein konstitutives Element?“
• Nils Holger Moormann, Designverleger
„Lebensenergie ist wichtig. Wenn man richtig begeistert ist, kann vieles gelingen. Dabei ist die Konsequenz wichtig.“
• Dr. Frank Schlie-Roosen, Referatsleiter, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung
„Was ist das Forschungsprojekt des Design? Seit zwei jahren haben wir auf unsere Frage keine Anträge erhalten. Design ist in der Krise. Es bedarf einer innerwissenschaftlichen Meinungsbildung.“
• Stefan Quante, WDR, Moderation
Was muss ein Designer können?
„Was muss ein Designer können?“, wollten wir von Auftrag- und Arbeitgebern wissen. Ihre Videostatements bildeten den Ausgangspunkt der Podiumsdiskussion.
Lo Breier, Büro X
Drei Themen sind wichtig um bei mir als Designer beginnen zu können. Das ist Kreativität, soziale Intelligenz und Durchhaltevermögen. Zwei von diesen Begriffen muss er auf alle Fälle können, beim dritten kann er ein bisschen schwächeln.
Lo Breier war Art Director bei den Zeitschriften „Wiener“ und „Tempo“. Büro X arbeitet für Kunden wie Beiersdorf, ARD, documenta 10, Ufa oder Vorwerk & Co. Er gilt als Medienspezialist, so hat er die Zeitung „Die Woche“ gestaltet.
Tim Greenhalgh, Fitch
When peopel hear the word ‚Design‘ they all too often think of appearance rather than function; of decor rather than sales; of logos rather than business success. At Fitch, we prefer to think of design as a problem-solving process that combines creative thought with creative expression. We believe in working as part of our client‘s team to build their brands be developing products, services and environments that respond better to their customer‘s need; that are effective forthe peopel woh use them and profitable for the peopel who provide them.
At Fitch we are attracted to peopel who have blend of skills both emotional and functional. Emotionally – we look for designers who are passionate. Passionate about their creative solutuion and the context in which it will be viewed or used by the consumer. Have a passion for thinking outside of the box, exploring ways in which design can push the boundaries and passionate about the purity of a creative thought … I have always felt that designers instinctively think differently than the rest of the society.
Fitch wurde 1972 gegründet und ist eine der weltgrößten Design-Agenturen. 1984 ging Fitch als erste unabhängige Design-Agentur an Londoner Stock Exchange. Die Agentur hat rund 300 Angestellte mit Büros in London, Paris, Boston, Detroit, San Francisco, Columbus and Osak.
Jan Stael von Holstein, Designmanager
What I ask from a Designer who comes to me for a position today. I have a philosophie with I believe in. It goes like this: listen, observe, think, create and act. Anyone who can master this many areas is capabel of solving problems in communication today. All Designers needs to masters this elements. And that is… I looking for.
Jan Stael von Holstein ist Designmanager. Unter anderem bei Corporate Agenturen wie Landor und Wolff Olins.
Prof. Axel Kufus, Designer
Suchen muss er können, finden muss er können, erfinden gehört dazu, kooperieren muss er können. Verknüpfen. Verknüpfen von Leuten, Verknüpfen von Material, Verknüpfen von Ideen – das ist etwas ganz zentrales. Dazu gehört das Experiment mit der Realität zu verknüpfen. Das erfordert große Eigenständigkeit und den eigenen Kopf. Ob die Köpfe zusammen passen, muss sich von Projekt zu Projekt herausstellen. Und: er muss kochen können. Denn bei uns hat das Designbüro Familienanschluss. Oder die Familie den Designbüroanschluss. Und mal kocht er oder ich oder sie.
Prof. Axel Kufus lehrt an der Bauhaus-Universität Weimar und hat ein Entwurfsatelier in Berlin. In Zusammenarbeit u.a. mit Andreas Brandolini oder Jasper Morrison entstanden Produkte für internationale Produzenten und Gestaltungen für private und öffentliche Räume. Er ist Preisträger des „Kölner Klopfer 1998“
Edgar Rosenberger, Ipuri
Drei Dinge müssen einen guten Designer auszeichnen. Erstens der Blick für das Wesentliche. Er muss sich befreien können von Überflüssigem oder Übertreibungen. Er muss ein klares, einfaches, zweckmäßiges, integres Design schaffen, dass aber trotzdem attraktiv ist. Dafür muss er, und das ist der zweite Punkt, in der Lage sein den Sinn für das Machbare zu entwickeln, also das muss umgesetzt werden können. Und drittens, ist ein sehr wesentlicher Aspekt, die Internationalität. Er muss über die Grenzen Deutschlands hinausgucken können, in der Lage sein Entwicklungen in anderen Ländern zu verfolgen, nicht nur in den USA und Italien. Und wichtig ist, dass er sich eine Hochschule wählt die, vom Lehrkörper bis hin zu dem Programm, international orientiert ist.
Edgar Rosenberger hat H&M in Deutschland aufgebaut. Danach war Geschäftsführer von Esprit Europe. Seit 1992 baut er in Hamburg sein eigenes Modehaus „Ipuri“ mit zur Zeit 13 Filialen auf.
Erik Spiekermann, MetaDesign, Rat für Formgebung
Wir bei Metadesign suchen Kolleginnen und Kollegen die in erster Linie ihren Kopf zum Denken benutzen können, weil wir der Meinung sind, dass Design zu allererst eine intellektuelle Disziplin ist, dann erst eine handwerkliche. Wenn also jemand nicht alle 47 Programme beherrscht und nicht auswendig HTML schreiben kann, ist das kein Hindernisgrund. Wir suchen Leute die gebildet sind, die neugierig sind, die vor allem Dingen, dies ist meine Hauptforderung, neben dem Beruf des Designers noch irgend etwas anderes gut können. Von der Hochschule erwarte ich jemanden, der keine Ausbildung genossen hat, sondern eine Erziehung. Der generell gebildet ist, bisschen was weiß über das Leben und über die Kultur und der vor allem neugierig ist und unabhängig denken kann. Das sind die Hauptfähigkeiten die ich in Designern suche. Das Handwerk können wir ihm hier in zwei Wochen beibringen.
Erik Spiekermann ist typografischer Gestalter und Schriftentwerfer. Nach Studium der Kunstgeschichte Lehrtätigkeit u.a. am London College of Printing und Berater für große Designunternehmen. 1990 gründete er mit Partnern MetaDesign plus. Heute hat MetaDesign in den Büros in Berlin, London und San Francisco über 200 Mitarbeiter und ist das größte deutsche Designunternehmen mit Kunden wie Audi AG, Hewlett Packhard, VW oder Flughafen Düsseldorf. Erik Spiekermann ist Honorarprofessor an der HfKM in Bremen, Vizepräsident des Rat für Formgebung und Präsident des Internationalen Instituts für Informationsdesign.
Christian Steguweit, Deutsche Bahn AG
Designer die bei uns erfolgreich am Prozess teilnehmen wollen, müssen unsere Sprache sprechen. Und unsere Sprache sprechen heißt, sie müssen verstehen, dass ein Designprozess etwas ist, an dem viele beteiligt sind und dass es nicht darum geht, einmal den großen Wurf zu machen – das was viele sich vorstellen –, sondern dass es darum geht mit Marketing, mit Produktentwicklung, mit Technik und sogar Mitarbeitern sprechen zu können bis hin zum Betriebsrat und deren Vorstellungen mit in diesen Designprozess zu integrieren. Dieses fehlt oft; dieses fehlt viel zu oft. Und deshalb ist Design oder der Designer oft nicht der gleichberechtigte Partner.
Christian Steguweit, ist bei Deutschen Bahn AG verantwortlich für die Konzeption und Gestaltung der 6.200 Bahnhöfe. Er ist Geschäftsführer der Deutsche Bahn Medien (DBM), einer 100%igen Tochtergesellschaft, die die Designaktivitäten der Deutschen Bahn AG koordiniert. Er war verantwortlich für Corporate Identity bei der Deutschen Olivetti und der Rosenthal AG weltweit. Nach Tätigkeiten als Leiter „Marketing Services“ bei der Comodore Computer GmbH und als Geschäftsführer des Rats für Formgebung wurde er Leiter der Zentrale „Marketing Services“ der Lufthansa AG in Frankfurt.
Christopher Wünsche, Agentur Demuth
Wir betrachten Designer hauptsächlich unter dem Blickpunkt Corporate Design. Was muss der Designer oder die Designerin können? Er muss das Handwerkszeug beherrschen. Er muss mit Farbe, mit Form, mit Typografie, mit Material umgehen können und er muss sich durch Kreativität auszeichnen. Kreativität für uns ist unkonventionell, ist überraschend, eben nicht das, was man immer erwartet; und wenn er ein exzellenter Designer ist, kennt er unsere Märkte, kennt er unsere Kunden und weiß was umsetzbar ist, hat ein sicheres Gespür für die Umsetzbarkeit.
Christopher Wünsche ist als Berater Etat-Direktor und Bereichsleiter Unternehmenskommunikation bei der Frankfurter Agentur Alexander Demuth. Die Werbe- und Public Relations Agentur arbeitet in den Bereichen Werbung, Public Relations, Corporate Identity und Corporate Design. Kunden sind u.a. DG Bank, Flughafen München, Mannesmann, Otra oder die Deutsche Bank.
Das Team
Mascha Möller, 30 Jahre, 7. Semester. Zuvor Ausbildung zur Technischen Zeichnerin im Maschinenbau, 7 Jahre Berufspraxis in verschiedenen Branchen.
„Eine interdisziplinäre und international ausgerichtete Design-Ausbildung macht Designerinnen vielseitig einsetzbar.“
Irene Rietschel, 22 Jahre, 3. Semester. Zuvor Praktika in den Bereichen Bühnenbild und Schreinerei.
„Design-Ausbildung muss dazu befähigen, einer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden und Alternativen zu entwerfen. Sie muss deshalb unabhängig bleiben.“
Joachim Schirrmacher, 29 Jahre, 3. Semester. Zuvor Ausbildung im Einzelhandel, Volontariat als Referent Public Relations und Journalist.
„Die Design-Lehre muss wissenschaftlicher, internationaler und interdisziplinärer werden.“
Stephan Wiendahl, 29 Jahre, 6. Semester. Zuvor Tischler, eineinhalb Jahre Erfahrung im Bereich Filmproduktion, seit 1996 selbstständig als Objekt-Designer.
„Wenn man Design als Problemlösung betrachtet, sollten auch die Probleme der Design-Ausbildung gelöst werden.“
Veröffentlich
Horizont, 29. Januar 1998
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