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Design-Ausbildung 3/3
26. Februar 1998

Uta Brandes: „Design ist hochpolitisch“

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© Mareike Trocha

Uta Brandes antwortet auf Fritz Frenklers Kritik an der Designausbildung.
In Horizont vom 29. Januar 1998 hat der Wilkhahn-Chefdesigner Fritz Frenkler die deutsche Designausbildung grundlegend kritisiert. Er vertrat in dem Interview unter anderem die Ansicht, dass man Design eigentlich weder lehren noch lernen könnte. Zudem kritisierte er, dass es ohnehin viel zu viele Designer gebe. Und er attackierte die Theorielastigkeit der Designlehre, wie sie beispielsweise am Kölner Studiengang Design betrieben wird. Prof. Dr. Uta Brandes, Designtheorie-Lehrende im sogenannten Kölner-Modell, nimmt hier zu Frenklers Thesen Stellung.

Interview: Sabine Kusch

Sie haben viel über Design geschrieben und nachgedacht. Fritz Frenkler hat Ihnen kürzlich öffentlich vorgeworfen, Sie hätten nie Design gemacht. Nehmen Sie sich diese Kritik zu Herzen? Wie sehr fehlt Ihnen der Bezug zur Praxis?

Uta Brandes: Ich kann da nur zurückfragen: Was ist das für ein Begriff von Design? Frenkler orientiert sich offenbar immer noch an einem Macher-Begriff. Dabei ist das Design doch allmählich so weit, dass Wahrnehmung, Analyse und womöglich das Finden ganz neuer Strukturen eine Rolle spielen.

Wie würden Sie die Aufgaben der Designlehre beschreiben?

Es geht nicht immer nur darum, neue Produkte in die Welt zu setzten. Deshalb sehe ich meine Rolle als sinnvoll an. Ich entwickle keine Produkte mit Studierenden, sondern versuche, sie zu lehren, komplexe Zusammenhänge zu erkennen.

Ist das Machen denn hinderlich für das Erkennen?

Nein, aber das Machen kennen wir zur Genüge. Und ich werfe dem Design insgesamt vor – Frenkler scheint mir da ein Prototyp zu sein –, dass die Emphase des Machens alle anderen Probleme überdeckt.

Fritz Frenkler sagt, Design müsse Diktatur sein. Gutes Design sei mit Demokratie nicht durchzusetzen. Was halten Sie davon?

Diese Begriffe drücken einen Sozialdarwiniusmus aus, den ich nicht nur sprachlich sehr problematisch finde. Demokratie heißt doch, dass Diskurs zugelassen ist, dass Vernunft und Argumente eine Rolle spielen. Auf mich wirken solche Sätze wie männliche Omnipotenzprojektionen. Welcher Begriff von Demokratie oder Diktatur steckt denn hinter solchen Aussagen? Darüber wäre mal zu diskutieren. Aber zum Inhalt: Frenkler müsste selber am besten wissen, dass auch er nicht diktatorisch irgendetwas macht und es dann ebenso diktatorisch irgendwo implementiert. Er weiß, dass in Teams gearbeitet wird, dass man unterschiedliche Kompetenzen – in den Bereichen Ökonomie, Ökologie, Marketing, Material und wo weiter – braucht, um überhaupt einen Designentwicklungsprozess in Gang zu sezten.

Frenkler plädiert offenbar für eine Eliteausbildung im Design. Sein Argument: Nur der Starke überlebe in diesem harten Markt. Teilen Sie seine Auffassung?

Ich halte das weder in der Praxis noch in der Ausbildung für richtig. Menschen entwickeln sich. Wie will ich von Anfang an wissen, was aus den einzelnen wird? Eine Eliteausbildung hieße vermutlich auch, dass die guten Ausbildungsstätten besonders viel Geld haben. Die Erfahrung spricht eigentlich gegen solche Konzepte. Über die privaten Design-Hochschulen, die es ja gab und gibt, kann man schon bösartig sagen, das da die naiven Kinder reicher Eltern hinkommen. Es ist die Aufgabe der Hochschulen, eine vernünftige Lehre anzubieten. Wenn das geschieht, erübrigt sich der Elitegedanke.

Demnach sind Sie nicht der Meinung, dass man zum genialen Designer geboren sein muss, Design also weder lehren noch lernen kann?

Dieser Meinung bin ich tatsächlich nicht. Ich hätte Schwierigkeiten zu definieren, wie man Kunst lernen kann. Aber Design ist doch sehr auf Ergebnisse, Prozesse und Aufträge bezogen. Ein wichtiges Kriterium für eine gute Designausbildung ist meiner Meinung nach die Schulung der Wahrnehmungsfähigkeit, damit dann in einem vernünftigen Transformationsprozess solche Erkenntnisse umgesetzt werden können. Das kann man sehr wohl lernen und lehren.

Frenkler ist der Meinung, wir hätten zu viele Designer und viel zu viele Designprofessoren. Darunter leide die Qualität.

Den Vorwurf könnte man ja vielen Fächern machen: zu viele Mediziner, zu viele Juristen und so fort. Da sich aber inzwischen die Berufsbilder in einer solchen Geschwindigkeit verändern, würde ich mir nicht zutrauen, vorhersagen zu können, wie viel Profis man in welchem Bereich in Zukunft braucht. Außerdem begreife ich Design als einen weitläufigen und komplexen Gegenstand. Da gibt es so viele Arbeitsfelder. Es muss ja nicht jeder mit seinem eigenen Designstudio enden. Man kann Vermittlung machen, man kann schreibend tätig sein. Design wird immer wichtiger. Um so mehr muss man für eine vernünftige und sehr breite Ausbildung sorgen, damit die beruflichen Chancen hinterher da sind.

Mit den Design-Professoren scheint Frenkler aber auch seine Probleme zu haben. Die Professoren müssten von ihren sicherer Posten weg, hat er gesagt.

Zum Teil verstehe ich seine Kritik. Ich finde auch, dass sich einige Menschen, die Design lehren, ein bisschen besser informieren sollten, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Man muss sich in diesem Beruf schon engagieren. Ich hätte möglicherweise auch nichts gegen befristete Stellen. Aber wir wissen aus den USA, dass dieses Modell nicht unbedingt dazu beiträgt, qualifizierte Leute an die Hochschulen zu holen. Es provoziert bei denen, die immer um ihre Stelle fürchten müssen, eher Anpassung und vorauseilenden Gehorsam. Und es gibt noch ein Argument gegen befristete Stellen. Professoren werden – im Verhältnis zur freien Wirtschaft – ziemlich schlecht bezahlt. Ohne festen Stellen müsste man ihnen Management-Gehälter zahlen.

Die gesamte Diskussion in Köln hat Frenkler offenbar missfallen. Sie sei ins Politische abgerutscht, moniert er.

Dass die Idee von Politik als gesellschaftliche Tätigkeit bei ihm so negativ besetzt ist, muss mit seinem Missverständnis von Demokratie und Diktatur zu tun haben. Ganz im Gegenteil halte ich Design insgesamt für eine hochpolitische Angelegenheit. Mit wäre es lieber, wenn wir viel mehr politische Diskussionen im Design hätten. Außerdem ging es bei der Veranstaltung um das Hochschulrahmengesetz. Das ist nun mal ein hochpolitisches Thema, und ich würde mir mehr Diskussionen dazu wünschen.

Repräsentiert Frenkler Ihrer Meinung nach mit seinen Positionen eine Mehrheit der deutschen Designer?

Obwohl er gar nicht zu der ganz alten Garde rund um die Ulmer Hochschule gehört, verkörpert Fritz Frenkler für mich den typisch deutschen männlichen Design-Pfadfinder. Sie begreifen Design irgendwie als praktisches Abenteuer im Busch, bei dem es ums Durchschlagen und Überleben geht. Die Standpunkte, die er in Köln vertreten hat, waren schon typisch für die Designer, die jetzt in relevanten Funktionen sind. Und ich halte sie leider auch für sehr deutsch.

Was ist das Deutsche daran?

Die Deutschen haben offenbar aufgrund ihrer Geschichte von Bauhaus und Ulm ein Problem: Sie denken immer noch, sie hätten eine bestimmte Form von vernünftigem, ergonomischen Design gepachtet, die als so genannte gute Form alles andere ausschließt. Da haben sich dogmatische Positionen stark verfestigt.

Frenkler kritisiert ja auch Philippe Starcks Design als viel zu subjektiv und zu wenig im Unternehmensinteresse.

Wenn etwas klug ist und trotzdem eine bestimmte Leichtigkeit hat, wie es in Deutschland immer mal wieder auch den Italienern anklagend unterstellt wird, dann kann ich jedenfalls das nicht schlimm finden. Die Italiener haben zumindest begriffen, dass in der Konsumsphäre oder im Büro Menschen leben, die auch Emotionen haben, nicht nur Rückgrate, die ordentlich sitzen müssen.

Veröffentlicht
Horizont 9/98, 26. Februar 1998, S. 63
„Design-Pfadfinder“

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