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Berlin Fashion Week
4. Juli 2009

In Paris, Mailand, New York oder London arbeiten die Modeprofis unter Ausschluss der Öffentlichkeit, dort wird geordert, bewertet und fotografiert. In Berlin ist alles ein wenig anders, hier ist die Fashion Week vor allem ein Marketinginstrument – wer kommt, ist wichtiger als das, was gezeigt wird.

Marketing will Begehrlichkeiten wecken – also wundert es nicht, dass die Bürger Einlass begehren zu den Berliner Modeveranstaltungen begehren. Doch sie wären enttäuscht. Nichts, was gezeigt wird, gibt es sofort zu kaufen und nur ein Bruchteil des Gezeigten geht in die Produktion. Die Kunden wollen jedoch alles sofort. Dabei sind viele von ihnen modemutiger als die Einkäufer, das zeigt eine Fotodokumentationen, die das Deutsche Modeinstitut auf den Straßen von Berlin, Bielefeld, Köln und London durchführen lässt. Was fehlt, ist die Brücke zwischen Laufsteg und Laden.

Wer heute wirklich gut angezogen sein will, muss seine eigene kulturelle Kompetenz unter Beweis stellen, statt mediale Abziehbilder zu Markte zu tragen. Jeder ist heute ein Stück weit sein eigener Designer und will, ja muss Zugang zur Quelle der Selbstinszenierung haben.

Außerdem gehört der direkte Zugang zu den Ateliers zur Berlin Modetradition, das war schon bei der Modeveranstaltung Ave in den achtziger und neunziger Jahren so. Heute lebt diese Tradition beim Wedding Dress fort. Die Modemesse kleiner Berliner Designer im Wedding ist für alle gedacht, und auch die Ökomodemessen Greenshowroom im Hotel Adlon und The Key im Kaiserlichen Postfuhramt in Neukölln öffnen heute für jeden.

Nicht zuletzt setzt sich der Berliner Senat stark für eine Beteiligung der Bürger ein, schon im letzten Sommer hatte man sich ein „Public Viewing“ der Schauen am Bebelplatz gewünscht. Mit der Showroommeile hat die Senatsverwaltung für Wirtschaft selbst eine Veranstaltungsreihe aus der Taufe gehoben, wo jeder einen Blick auf die Arbeit von Berliner Designern werfen kann – allerdings nur von Kleinstunternehmen, die keine professionellen Fertigungsstrukturen einhalten müssen.

Die Modekompetenz Deutschlands ist erst in den letzten Jahren erwacht und kommt – anders als etwa in Frankreich – nicht von oben, sondern von der Straße. Es gibt weltweit nur wenige Märkte, die so stark in der Sportmode, Streetwear und Casualwear verwurzelt sind. Das kommerzielle Leitbild dieses größten Marktsegments bildet die Bread & Butter ab. Deshalb konnte sie in wenigen Jahren von einer halb ernst gemeinten Veranstaltung einiger Freunde zur wichtigsten Modemesse der Welt wachsen. Das bringt nicht nur geschätzte 100 Millionen Euro pro Messe in die Stadt. Von hier kommen auch die Impulse für die eher brave Konfektion der Bekleidungsindustrie. Zugleich übersetzen junge Berliner Modelabels wie c.neeon oder Michalsky diesen Streetstyle in Mode, die auch auf dem Laufsteg besteht. Berlin und Deutschland müssen lernen, sich als Ort mit dieser internationalen Ausstrahlung zu verstehen. Die Straße ist ihr Motor.

Veröffentlicht
Der Tagesspiegel, 4. Juli 2009 unter dem Titel: „Deutschland ist internationaler Modeort

Kategorie: - Berlin Fashion Week, Messen, Mode - Kommentare(0)
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