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Berlin Fashion Week, Tag 2
21. Januar 2010

Ich bin ganz erschlagen von der visuellen Macht der Stände auf der Bread & Butter Berlin (BBB). Die Ware verschwindet dahinter völlig. Mir will nicht aus dem Kopf, dass dieser gigantische Aufwand betrieben wird um Jeans, die in der Fertigung 15 oder maximal 20 Doller kosten, für 100 oder 120 Euro verkauft werden. Image ist ganz offensichtlich teuer.Als die BBB, ganz klein, in Köln anfing, war es das oberste Gebot, dass alle Stände offen sind – höher als 1,60 Meter durfte kein Stand sein. Heute geht man durch lange Schluchten, die die Burgen der Unternehmen bilden. Nicht nur der Zutitt zur BBB wird streng kontrolliert, auch an jedem Stand wird nochmals überprüft ob man berechtigt ist einzutreten. Zudem wird jede Bewegung mit Scannern elektronisch erfasst. So hat jeder Aussteller alle Daten und kann sich intern gut rechtfertigen. Ich mache da übrigens nicht mit. Entweder lassen sie mich so auf den Stand, oder eben nicht.
Im Pressezentrum treffe ich Elke Giese, Ressorleiterin Mode beim Deutschen Mode Institut. Wir diskutieren die Schumacher-Schau. War mein Urteil über die Schumacher Show zu hart? Elke Giese war ganz angetan von der Kollektion, fand es gut, dass viele Trends verarbeitet wurden. Ivonne Fehn, Fashion Director, Süddeutsche Zeitung Magazin war wiederum von Schumacher mehr angetan, als die Kollektion noch zugespitzter war.
Es gibt nicht eine Wahrheit, sondern viele Perspektiven. Eine ist der gestalterische Anspruch, eine andere, nicht unwichtige, was die Kunden wollen. Immerhin geht es allein bei Schumacher um rund 100 Arbeitsplätze. Der Creative-Director von Jil Sander, Raf Simons sagte mir vor einigen Wochen, dass bei größeren Marken Kunde die Kollektion viel stärker mitbestimmt als bei kleinen Labels.
Geschrieben wird darüber selten, denn fast alle Medien sind abhängig von den Anzeigen der Modeunternehmen. „Alle wollen in der ersten Reihe bei Marc Jacobs sitzen. Und alle wollen unabhängig berichten – das geht nicht zusammen“. Diese Erkenntnis schwirrte durch das Halbdunkel der Joop!-Schau zu mir.
Der Abend war übrigens hart: Nach dem Besuch der Messen Premium und BBB galt es wiederum die ganze Zeit zu stehen. Denn statt Stühle um einen Laufsteg, gab es bei Joop! nur eine Plattform um die sich alle im stehen versammelten, so dass nur wenige eine gute Sicht hatten. Offenbar war es egal, denn die Kleider waren Mainstream. „Angesagte Modells und berühmte Fotografen lassen Marken unabhängig vom Tempo des realen Angebots aktuell und trendy wirken“, beschreibt McKinsey & Company in ihrer Kundenzeitschrift Akzente diese Strategie.
Nach der Schau warteten alle auf den letzten öffentlichen Auftritt von Joop! Creative-Direktor Dirk Schönberger. Im Dezember wurde bekannt gegeben das Joop! seine Marke weniger puristisch ausrichten will, und die beiden sich trennen. Trotzdem herrschste Unverständnis und peinliche Stille. Schönberger gab sich jedenfalls gegenüber dem Tagesspiegel überzeugt: „Wir müssen den Leuten etwas bieten, das sie noch nicht gesehen haben. Denn das, was sie kennen, werden sie im nächsten halben Jahr definitiv nicht kaufen, sie werden sich nicht tausend neue Basics in den Kleiderschrank legen. Wenn sie Geld ausgeben, dann für etwas, was sie definiert.“
Um Anspruch ging es auch beim Empfang der Zeitschrift „Brigitte„. Chefredakteur Andreas Lebert war einst einer der besten Zeitschriftenmacher Deutschlands. Nun stellt sich die Frage: Was will Brigitte außer Geld zu verdienen? Der Empfang fand zwar in der Ausstellung „F.C. Gundlach – Das fotografische Werk“ im Martin-Gropius-Bau statt, doch in der Ansprache von Lebert und seiner Kollegin Brigitte Huber kam Gundlach nur mit einer Nebenbemerkung vor. Statt dessen stand die „Kampagne“ „ohne Models“ im Mittelpunkt. Eigene Fotoproduktionen will die Zeitschrift nicht mehr mit professionellen Models durchzuführen. Als ob dies neu wäre und als ob es keine Agenturen für Laien gibt. Egal. Im Kern geht es um die Frage, wer heute die Mode definiert.
Interessant: Diesel-Chef Renzo Rosso hat sich nach 20 Jahren von seinem Creative-Director Wilbert Das getrennt. Verantwortlich für die Ausrichtung von Diesel ist nun Bruno Collin. Er war vor 15 Jahren mein Kollege beim Fachmagazin Sportswear International und hat seitdem u.a. mit dem Magazin WAD Maßstäbe gesetzt. Kaum jemand verstand es so gut, das Lebensgefühl der Streetwear Generation immer wieder überraschend in Bilder umzusetzen. So ist die Entscheidung nicht ohne Logik: Design und Journalismus haben viel miteinander zu tun. Beiden geht es, wenn die Aufgabe ernst genommen wird, um den Nutzer bzw. Leser. Auch ihre INspirationsquellen sind oft gleich. Joel S. Horwitz – 2009 Preisträger „Designer for Tomorrow by Peek & Cloppenburg“ und dem Lucky Strike Junior Design Award – hält es für eine sehr zukunftsweisende Entscheidung. „Mit solche Kollaborationen kann man ein Label sehr gut in Bewegung halten. Die Sicht einer Person aus einem anderen Bereich ist sehr Wichtig, vor allem weil man nicht vergessen sollte das der Konsument auch nichts beruflich mit Mode zutun hat.“
Heute morgen war die Schau von c.neeon. Unvergessen ihre Präsentation in einem Berliner Skaterpark. Direkt hinter den Einkäufern und Journalisten kletterten die Berliner, scheinbar unbeeindruckt, die Wände eines alten Turms hoch. Dieser Streetvibe ist es, was die Welt von Berlin erwartet.
Zu sehen gab es Gritty Glamour – für c.neeon, immerhin für farbenfrohen Prints bekannt, war es erstaunlich grau. Zur Erinnerung: Präsentiert wird ja nicht, wonach wir uns jetzt sehnen – Sommermode, sondern die Kollektionen für den Winter 2010/11. Ich persönlich mag die fließenden Gewänder von c.neeon sehr – zum Glück gab es zum Abschluss ein wunderbares kleines Schwarzes zu sehen. Ich wünsche eine Schauspielerin wird es auf den Internationalen Filmfestspielen Berlinale Mitte Februar auf dem Red Carpet tragen.
Nach der Schau traf ich Panos Destanis vom Fashion-Blog www.modabot.de. Wir knüpften mit dem Thema „open source“ an die Überlegungen von gestern Abend an. So gibt es Modedesigner wie Pamoyo die ihre Schnitte anderen kostenlos als Download zur Verfügung stellen. Schnell kamen wir auf Otto von Busch zu sprechen, der in seinem Projekt „Dale Sko Hack“ die Arbeiter mit ihren Fähigkeiten und ihrer Handwerkskunst nicht nur als Ausführende, sondern als Mitgestalter einbindet. So mutiert der Basisentwurf, jedes Produkt ist einzigartig wird. Dafür bekam er übrigens den Sonderpreis Modetheorie des European Fashion Award – FASH 2008, den ich als Projektleiter verantworte. Der Preis suchte unter dem Thema „Attitude – Umwelt- und sozialgerechte Mode. Von Busch ist überzeugt, dass Fair-Fashion ein unauflösbarer Widerspruch in sich selbst ist. „Es gilt vielmehr Design und Mode (als wichtige Stifter von Identität und großer wirtschaftlicher Bedeutung) zu erneuern, indem ihre Strukturen aufgebrochen und neu justiert werden, ohne dabei jedoch deren Kraft zu verlieren!“
Doch die Messe für Fair Fashion The Key in einer alten Backfabrik löst dies leider nicht ein. Die Szene ist stark von Idealismus getrieben. Sie betont oft und gerne, dass grüne Mode modisch aktuell sein muss. Dem entspricht jedoch nicht die Präsentation. Die Möbel aus Wellpappe die in der Lounge modern rüber kommen, rauben mit ihrem grau-braun der Mode jede Frische. Ich vermisse oft eine Darstellung die heutigen Sehgewohnheiten entspricht. Erfrischend war der Austausch mit einem der Pioniere der Fair-Fashion Bernd Hausmann der den Fair-Fashion Shop Glore betreibt. Auch das Berliner Slowmo, geht nach meiner Auffassung in die richtige Richtung.
Während ich beim Schreiben ein Bio-Brötchen essen, hat Miguel Adrover, Creative Director von hessnatur 40 Modejournalisten zu einem gestetzten Essen geladen. Er stellt den „Humanity in Fashion-Award by hessnatur“ vor. Der Preis will Jung- und Nachwuchs-Designern eine Starthilfe geben und neue Impulse im Sinne einer natürlichen Kleiderkultur setzen. Gesucht wird eine Kollektion, die über mehrere Saisons trag- und kombinierbar ist. Start ist im Februar. Um 14.00 Uhr erwacht The Key zum Leben. Gerade kommt Ulrike Okbay-Reichert, sie ist Einkaufsleiterin der „Ecorepulic“ beim größten Mailordercaompanie in der Welt Otto und hat als Mitglied von FASH 2008 von Busch den Preis verliehen. Und die deutsche Fair-Fashion Bloggerin Dr. Kirsten Brodde kommt vom Essen mit Miguel Adrover zurück und ist auf dem Sprung sich mit der Clean Clothes Campaing zu treffen. Groß ist die Modewelt nicht, nur etwas kompliziert.

Zuerst erschienen in englischer Sprache in leicht gekürzter Form unter dem Titel „On to little sleep“ auf Young Germany.

Kategorie: - Berlin Fashion Week, Messen, Mode - Kommentare(0)
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