16. Februar 2010
Suzy Menkes (rechts) kümmert sich intensiv um den Nachwuchs. Hier im Gespräch mit Michael Sontag in der Boutique The Corner.
Suzy Menkes von der International Herald Tribune, gilt als wichtigste Modejournalistin. Seit 1988 besucht sie pro Jahr 600 Modeschauen. Jetzt hat Menkes die deutsche Hauptstadt entdeckt: „Berlin hat Mode im Blut.“
Joachim Schirrmacher: Sie waren mit der jährlichen Konferenz der „International Herald Tribune“, zu der sich das Who’s_ who des Luxusbusiness trifft, zu Gast in Paris, Dubai, Istanbul, Moskau und New Dehli.Wieso haben Sie Ende 2009 Berlin erstmals als Veranstaltungsort gewählt?
Suzy Menkes: Ich finde, Berlin eignet sich wunderbar als Schauplatz für eine Konferenz zum Thema „Techno-Luxury“. Berlin strahlt etwas aus, das man am besten mit „hard and smart“ umschreiben kann. Zwar ist Berlin keine reiche Stadt. Doch Luxus bedeutet nicht, dass man zwingend eine Menge Geld ausgeben muss. Vielmehr geht es auf der Konferenz darum, zu verstehen, was moderner Luxus ist und wie er sich definiert, jetzt und in Zukunft. Ich denke auch an den demographischen Zuschnitts Berlins: Die Stadt wimmelt von jungen Menschen aus aller Welt, Menschen, die offen sind für den technologischen Fortschritt.
Wie nehmen Sie Mode und Deutschland wahr?
Ich denke bei einem Designer nie daran, ob er nun ein deutscher, italienischer oder französischer Designer ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass Deutschland bislang eher für Herrenmode steht, ebenso, wie es der wichtigste Standort für Luxusautos ist. Das muss in Zukunft aber nicht so bleiben.
Wann haben Sie die deutsche Mode zum ersten Mal bewusst wahrgenommen?
Wie ich bereits sagte, ich ordne der Mode keine internationalen Schubladen zu, daher beschäftige ich mich auch nicht mit der deutschen Mode als solche. Man könnte sagen, dass Jil Sander eine gewisse moderne Geradlinigkeit zum Ausdruck bringt, die vielleicht in mancherlei Hinsicht für die deutschen Mode typisch ist. Für mich ist sie jedoch in erster Linie eine Modeschöpferin mit einer modernen Sichtweise.
Sie sehen Mode als Ausdrucksmittel der Gesellschaft?
Das ist es, was mich an der Mode so fasziniert. Gerade im Rückblick wird dies sehr deutlich. Denken Sie zum Beispiel die breiten Schultern aus den 1980er Jahren, die nun wieder in Mode sind. Damals waren Schulterpolster Ausdruck der Frauenbewegung und dafür, dass die Frauen in der Arbeitswelt nun Schulter an Schulter mit den Männern standen. Dies zeigt sehr deutlich, warum die Mode immer auch die Gesellschaft widerspiegelt.
Anlässlich der Fashion Week waren Sie im Juli 2009 schon mal in Berlin. Es war Ihnen sehr wichtig, nicht nur die Schauen zu besuchen, sondern auch durch die Straßen zu gehen, um zu sehen, was die Menschen dort tragen. Sie sagten damals: Das ist, wo sich die Mode abspielt.
Natürlich. In Berlin dreht sich beinahe alles um Streetstyle, um einen individuellen Stil. Wie die Menschen in Kreuzberg sich anziehen, wie sie die Kleidungsstücke miteinander kombinieren ist für mich sehr spannend und inspirierend. Ich bin sicher, es gibt hier viele unentdeckte Designer, die es vielleicht nicht auf die internationale Bühne schaffen, die aber trotzdem ganz tolle Arbeit machen.
Was ist Ihnen auf Ihren Streifzügen durch Berlin aufgefallen?
Ich spreche jetzt über den Osten Berlins. Da müssen wir ganz klar unterscheiden. Im Osten der Stadt gibt es nur sehr wenig, was ich „show of clothes“ nenne. Auch werden Firmenlogos nur ganz vereinzelt bewusst zur Schau gestellt. Es kommt mir so vor, als ob die jungen Berliner die großen Markennamen einfach nicht ernst nehmen. Nicht, weil Geld eine Rolle spielen würde. Wenn es ihnen wichtig wäre, würden sie Fälschungen kaufen. Ich denke, Marken und Designerlabels sind einfach nicht Teil ihrer Welt.
Wie beurteilen Sie die Schauen?
Wenn ich die Arbeit eines mir bekannten Designers sehe, möchte ich wissen, wie diese Arbeit entstanden ist – ob es eine fortlaufende Entwicklung gibt, was sich verändert hat und ob dies die bisher beste Arbeit darstellt. Wenn ich den Designer noch nicht kenne, dann möchte ich mich anregen und überraschen lassen.
Fühlten Sie sich nicht ein bisschen einsam? Ich erinnere die Schau von Michael Sontag. Freitag um 10.00 Uhr waren nur wenige Ihrer Kollegen da.
Das sehe ich überhaupt nicht so. Ich weiß nicht, wer in welcher Stadt zu den Medien gehört und wer nicht. Heutzutage gehen die Leute online, es gibt Blogger. Ich finde es gut, dass sich alles vermischt! Es müssen nicht immer dieselben in der ersten Reihe sitzen.
Issey Miyake hat 2001 seine A-POC Kollektion in einer Ausstellung im Vitra Design Museum Berlin gezeigt. Damals sagte er mir: Berlin ist eine „modische unmodische Stadt“. Was er damit meint, ist, dass die Stadt zwar in Mode ist, die Berliner sich aber nichts aus Mode machen. Hat sich dies verändert?
Das kann ich nicht sagen. Vielleicht kann man Miyake so verstehen, dass man in Berlin nicht die typische Modeszene findet wie in Tokio, wo die jungen Mädchen sich sehr trendbewusst kleiden. Mode hat viele Ausdrucksformen. Meiner Meinung nach ist auch die Anti-Mode eine Art von Mode
In Berlin und Deutschland dreht sich vieles um Sportswear und Sportsfashion: Die Designs von Adidas, Puma, und viele Kollektionen der jungen Modedesigner spiegeln den Einfluss der Straße und ihrer Szenen deutlich wider.
Ja, sicher. Dies ist der Grund, warum Jochen Zeitz von Puma auf der Konferenz sprach. Und ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, dass Sportswear extrem wichtig ist. Daher hat die Modemesse Bread & Butter in Berlin eine ideale Plattform.
Was bedeutet diese Street Credibility für die Zukunft der Mode?
Es herrscht allgemein die Überzeugung, dass die Mode heute von den Menschen bestimmt wird – sei es auf der Straße oder im Internet. Die Begeisterung mit der sich manche Menschen von Scott Schuman The Sartorialist oder anderen Fashionblogs fotografieren lassen, beweist, dass sie selbst Trends setzen wollen. Zugleich glaube ich jedoch nicht, dass professionelle Designer je aus der Mode kommen werden.
Vielen Dank für das Gespräch.
Veröffentlicht
Erstveröffentlichung in leicht gekürzter Form in: Deutschland Magazin 1/2010