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Ausbildung – Schwerpunkt: Deutsche Mode 7/8
16. Februar 2010

Bianca Koczans Prêt-à-porter für Frauen und Männer teilt sich in

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© Andi Frank

Das Gros aller Modedesigner Europas wird in Deutschland ausgebildet. Mehr als 40 Modeschulen in Deutschland führen mit unterschiedlichen Schwerpunkten zum Ziel. Eine neue Generation hochqualifizierter Professoren weist den Weg dorthin.

Von Joachim Schirrmacher

Ein Modestudium erfreut sich wachsender Beliebtheit, da immer mehr Menschen kreativ tätig sein wollen. Doch was in den Magazinen und auf den Laufstegen so schön und lustvoll aussieht, ist hartes Brot. Studium und Beruf sind streng, man lebt und arbeitet voll und ganz dafür.

Vielseitige Hochschullandschaft

Nur wenige Länder bieten eine so vielseitige Hochschullandschaft wie Deutschland: Es werden in Deutschland an über 40 qualifizierten Modeschulen jährlich weit über 1.000 Absolventen ausgebildet (genaue Daten werden nicht erhoben). Anders gesagt: Deutschland bildet ein Gros aller Modedesigner Europas aus.

Berlin ist mit neun Modeschulen das kreative Zentrum. Gelehrt wird vor allem in kleineren Städten – so an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle, der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach, der Hochschule für Gestaltung, Technik und Wirtschaft in Pforzheim oder der Fachhochschule Hannover.

Die Zahl der Bewerber auch aus dem Ausland, insbesondere aus Asien, ist riesengroß. Es kommen so viele, dass Universitäten wie die Hochschule für Künste Bremen einen Teil ihrer Webseiten auch auf Chinesisch und Koreanisch anbieten.

Viele wollen, aber nur wenige können

Entscheidend für die Zulassung zum Studium ist – neben formalen Kriterien wie die allgemeine Hochschulreife und Praktika oder eine abgeschlossene Ausbildung zum Beispiel zum Schneider – die künstlerische Eignungsprüfung. Eine hohe Hürde. Renommierte Schulen wie die Universität der Künste Berlin verzeichnen jedes Jahr 700 Bewerbungen. Doch nur 35 Studierende können aufgenommen werden.

Dreistufiges Bewerbungsverfahren

An den meisten Modeschulen bewirbt man sich im ersten Schritt mit einer Mappe eigener Gestaltungsarbeiten. Im zweiten Schritt wird eine Hausaufgabe verlangt, gefolgt von einer zweitägigen Aufnahmeprüfung, inklusive einem persönlichen Gespräch mit den Professoren. Gesucht wird neben der künstlerischen Begabung, Persönlichkeit und der ernsthaften Auseinandersetzung mit Design, Aufgeschlossenheit, Teamfähigkeit, analytisches Denk- und Durchsetzungsvermögen.

Moderate Kosten

In einigen Bundesländern werden seit 2007 Studiengebühren verlangen. Im Verhältnis zu den USA, Frankreich oder England, fallen die jedoch mit 200 bis 500 Euro pro Semester moderat aus. Private Hochschulen sind mit gut 3.000 Euro im Semester wesentlich teurer. Hinzu kommen Ausgaben für Magazine, Reisen und vor allem Materialien.

Freiheit den eigenen Weg zu finden

So groß wie die Anzahl der Modeschulen ist die Bandbreite der Bildungskonzepte. Dies liegt zum einen am ausdifferenzierten deutschen Bildungssystem. So gibt es nicht nur unterschiedliche akademische Niveaus von der Berufsfachschule über die anwendungsorientierten Fachhochschulen bis hin zur Universität bzw. Kunsthochschule. Es gibt auch private und staatliche Schulen. Fast jede hat einen individuellen Schwerpunkt: mal steht die künstlerische Freiheit, mal die Nähe zum Markt, mal der Entwurf, mal die technische Umsetzung im Vordergrund. Auch gibt es, wie an der Fachhochschule Hannover mit China, viele Kooperationen mit ausländischen Hochschulen.

Freiheit der Lehre

Hinzu kommt die vom Grundgesetzt garantierte „Freiheit der Lehre“, was den Professoren individuelle Schwerpunkte, ob Theaterkostüme oder Corporate Fashion, erlaubt. Zur Freiheit der Lehre gehört nach dem Selbstverständnis der meisten Lehrenden auch eine kritische Distanz gegenüber der Wirtschaft. So ist es an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle, nicht das Ziel für die Industrie oder gezielt für Bewerbungsmappen auszubilden, sondern die Studierenden sollen sich in einem intellektuell anspruchsvollem Studium einen eigenen Zugang zur Mode entwickeln. Erst dies versetzt die Absolventen in die Lage, nicht nur Trends kommerziell umzusetzen, sondern sich mittels einer eigenständigen Kollektion am Markt zu positionieren. Private Schulen betonen hingegen stärker die Bindung an den Markt. So möchte die Akademie Mode & Design Hamburg für die konkrete Berufspraxis ausbilden.

Hoher akademischer Anspruch

Wichtigstes Ziel des Studiums ist es „kreative Modedesigner mit einer eigenen Handschrift auszubilden, die in innovativen Konzepten Individualität, Problembewusstsein und technisches Know-how miteinander verbinden“, wie es die Hochschule für Gestaltung Technik und Wirtschaft Pforzheim formuliert. Zu den konkreten Inhalten gehören unter anderem Grundlagen der Gestaltung, Themenentwicklung, Farb- und Materialkonzepte, Schnitttechnik, Kollektionsaufbau, aber auch die Beherrschung von Computerprogrammen, Fotografie und Fremdsprachen. Entscheidender als dieses Handwerkszeug ist es allerdings, die Persönlichkeit und eine eigene Handschrift zu entwickeln. Dies wird wesentlich durch die Persönlichkeit des Lehrenden vermittelt, die ihre kleinen Klassen eng betreuen.

Eine neue Generation Professoren

Durch einen Generationswechsel ist das Niveau der Ausbildung in den vergangenen Jahren weiter gestiegen. Viele der heutigen Lehrkräfte haben an den besten Modeschulen der Welt studiert und im Ausland Karriere gemacht, sei es als Chefdesignerin bei Kenzo (Paris), Costume National (Mailand) oder Vivienne Westwood (London).

Wissen was Kunden wolle, wünschen und wählen

Idealerweise wird Mode in ihrer ganzen Komplexität betrachtet. Es gilt, Marktpotentiale, soziale, kulturelle, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen, Moden und Wertewandel zu antizipieren. Es geht darum, zu verstehen, was Kunden wollen, wünschen und wählen. Die Studierenden lernen, dass der präzise, unvoreingenommene und neugierige Blick genauso wichtig ist wie der Bruch mit dem Bisherigen, um Neues zu schaffen.

Gestaltung von Identitäten

Neben dem Entwurf des konkreten Produkts steht immer stärker die Gestaltung von Identitäten im Mittelpunkt. Eine überaus spannende, aber schwierige Aufgabe. Denn Marken brauchen Kontinuität, Mode jedoch den permanenten Wandel.

Verbindung von Kultur und Wirtschaft

Designer lernen, zum Beispiel in Projekten mit Unternehmen, mit solchen Widersprüchlichkeiten und komplexen Aufgaben umzugehen. Die Verbindung von Kultur und Wirtschaft ist die ureigene Stärke von Design. Vieles, was sich theoretisch kaum auflösen lässt, kann durch den konkreten Entwurf eine befriedigende Antwort erfahren. Dies macht einen Großteil der Magie des Designs aus.

Stringenz des Entwurfs

Nur ein schöner Entwurf reicht den Professoren selten. Sie verlangen, dass jeder Entwurf einer begründeten gestalterischen Haltung folgt. Sie sprechen von innerer Stringenz oder Material gerechtem Entwurf. Am besten verbunden mit funktionalen und technischen Kriterien.

Der akademische Anspruch steigt

Deutlich wird, dass der akademische Anspruch – auch der Fachhochschulen – in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist. So wurde 2002 die Deutsche Gesellschaft für Designtheorie und -forschung (DGTF) gegründet und seit 2005 finden an der Hochschule der Künste Bremen wissenschaftliche Kongresse im Bereich Modetheorie statt. Allerdings gibt es im Design bislang kaum die Möglichkeit zu promovieren.

Höhepunkt des Studiums ist das meist obligatorische halbjährige Praktikum. Gerne wird es im Ausland absolviert. Denn vom Konzept über den Entwurf, vom Schnittmuster zum Styling bis zum Verkauf kann man erstmals mehr oder weniger alles machen.

Neben der Ausbildung zum Modedesigner gibt es zahlreiche Spezialisierungen und verwandte Studien wie zum Design-Ingenieur an der Hochschule Niederrhein, wo die technische Planung und Entwicklung im Vordergrund steht. Oder den Master Textiltechnologie – Textilmanagement an der Hochschule Reutlingen.

Ein Dutzend führender Schulen

Anders als im Ausland wo es international bekannte Schulen wie dem Bunka Fukusō Gakuin (Japan), der Central Saint Martins College of Art and Design (London, UK) oder der Royal Academy of Fine Arts (Antwerpen, Belgien) gibt, hat es in Deutschland nicht die führende Schule, sondern dem Föderalismus entsprechend, rund ein Dutzend sehr guter; zudem mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Es gibt hierzu kein Ranking. Laut den Ergebnissen des European Fashion Awards FASH zählen dazu: Hochschule für Künste Bremen, Universität der Künste Berlin, Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle, Hochschule Niederrhein, Mönchengladbach, Hochschule für Gestaltung Technik und Wirtschaft, Pforzheim, Fachhochschule für angewandte Kunst Schneeberg, Zwickau.

Kreative und technische Stärken

Das handwerkliche und kreative Niveau der Ausbildung gilt als sehr hoch, auch Dank der oft hervorragend ausgestatteten Werkstätten. „Unsere Designer aus Deutschland sind genauso kreativ wie ihre Kollegen aus anderen Ländern“, sagt Torsten Hochstetter, der als Kreativ-Direktor für 80 Designer aus 20 Nationen der Abteilung Sport Style von Adidas verantwortlich ist. „Hinzu kommt aber eine starke technische Qualität.“

Kompetenz ist nicht ausreichend bekannt

Diese Excellenz ist nicht hinreichend bekannt. Dass im internationalen Kontext die Hochschulen nicht ausreichend profiliert sind liegt daran, dass man in Deutschland traditionell weniger auf äußeren Glanz zielt und kaum Mittel für das Marketing vorhanden sind. Auch gibt es keinerlei übergeordnete Einrichtung, welche diese offenkundig notwendige Aufgabe übernehmen könnte, wie im Ausland das Flanders Fashion Institute, British Fashion Council oder die Fédération Française de la Couture. Ja, Design oder Mode erscheinen nicht mal im Organigramm des deutschen Bundesbildungsministeriums.

Reaktionen auf veränderte Märkte

Allerdings gibt es seit einigen Jahren Bemühungen der Hochschulen sich über eigene Schauen, Magazine und Betreuung der Alumni besser nach außen darzustellen. Gerne würden die Hochschulen mit ihrem Lehrangebot auch flexibler auf die Veränderungen in der Modewelt reagieren, dies ist jedoch aufgrund der Bürokratie schwierig. Hier sind die privaten Modeschulen klar im Vorteil.

Offene Felder

Anstehende Themen sind ein Ausbildungsangebot für Sportkleidung mit ihren spezifischen Anforderung zum Beispiel an die Bewegungsfreiheit (mit Adidas und Puma kommen zwei der weltweit wichtigsten Sportmarken aus Deutschland), Modejournalismus oder das Design-Management (Integration von Produktentwicklung, Kommunikation und Distribution).

Wettbewerbe sind Mittler in den Beruf

Seit einigen Jahren gibt es einen Boom von Modewettbewerben, fast alle sind Marketinginstrumente für Standorte, Produkte oder Unternehmen. Doch die Zahl der an den Modeschulen anerkannten Auszeichnungen ist klein. Dazu zählen der European Fashion Award FASH der gemeinnützigen Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie SDBI (jährlicher, thematischer Wettbewerb für Studierende), der Apolda European Design Award (zeichnet alle drei Jahre Abschlussarbeiten aus), Designer for Tomorrow by Peek & Cloppenburg (junge Absolventen) und der Innovationspreis Textil + Mode (junge Absolventen, selbständige Designer). Seit 2008 veranstaltet das Goethe-Institut mit Createurope einen eigenen Modepreis. Eine wichtige Rolle in der Nachwuchsförderung hat auch die Wilhelm Lorch Stiftung mit ihren Auszeichnungen, Stipendien und Projektförderungen übernommen. Daneben gibt es zahlreiche Modewettbewerbe von Champagnermarken, Bierbrauern oder der Waschmittel- und Hausgeräte-Industrie.

Das reale Leben

Ebenso breit wie das Ausbildungsangebot ist das Arbeitsfeld nach dem Studium. Einige finden eine Anstellung bei einer der rund 200 jährlich offenen Stellen in der Bekleidungsindustrie oder bei kleineren Modelabels. So ist Jan Kleeberg (Burg Halle) Produktmanager bei Hugo Boss, Claudia Bothe (FH Hannover) Assistentin von Hussein Chalayan oder Lili Cacopardo (geb. Olwicher, HfK Bremen) Designerin für die Herrenschuhe und Accessoires bei Dolce & Gabbana.

Obwohl viele Absolventen vom eigenen Modelabel träumen, empfehlen Experten zuerst eine Anstellung um das eigene Fachwissen in der realistischen Anwendung zu perfektionieren und zu erweitern. Zudem sind Erfahrungen bei einem etablierten Designer hilfreich.

Andere zieht es in verwandte Berufe. Henriette Ernst (UDK) ist bei Celine verantwortlich für die Stoff- und Materialentwicklung, Annette Frommer (FH Pforzheim) entwirft Schuhe für Givenchy und Martin Margiela, Jenny Wolf (FH Pforzheim) ist als Kostümbildnerin am Opernhaus Zürich tätig und Katharina Hirner arbeitet als Designerin im Bereich Trim & Color beim Autobauer Kia.

Kategorie: - Schwerpunkt: Deutsche Mode, Hochschule, Mode - Kommentare(0)
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