7. November 2010
Das Hotel Krafft, in Basel direkt am Rhein gelegen, will kein Traumhotel sein und inspiriert so zu Träumen. Allein der Blick auf Rhein, Münsterhügel, Patrizierhäuser, Martinskirche und die Mittlere Brücke ist grandios.
Das Hotel Krafft wurde 1872 von dem Wirt Ernst Krafft gegründet. Heute ist es ein Designhotel im eigentlichen Sinn. Denn anders als jene Hotels die sich gerne so nennen, und den Gast durch große Inszenierungen beeindrucken wollen (und besser Stylinghotels heißen sollten) bietet dass Krafft in seinen schlichten Zimmern Freiräume, welche die Fantasie anregen. Das Hotel wird so dem Versprechen, das dem Familiennamen Krafft innewohnt, gerecht. Wie erreicht dies der heutige Direktor Franz-Xaver Leonhardt?
Das Haus atmet seine Geschichte
Leonhardt beauftragte Innenarchitektin Ursula Staub-Feller. Sie hat in bester Werkbund-Tradition gearbeitet, welcher an die humanisierende Wirkung der Form glaubte. Ihr Ziel „Menschen innerlich berühren“ erreicht sie durch Zurückhaltung. „Qualität, Authentizität, Einfachheit“ heißt ihr Rezept. Statt auf die große Geste zu setzen, bringt sie bei der Erweiterung und Erneuerung des Haupthauses 2005 Bestehendes besser zur Geltung.
Basis ist die Geschichte des Gebäudes mit seiner spürbaren Substanz aus der Bauzeit 1872 als auch dem Flair der späten 1950 Jahre, als der letzte große Umbau stattfand. Geblieben ist der Grundriss, das Treppenhaus und die knarrenden Holzböden (was den einen oder anderen Gast auch schon mal stört). Erneuert wurden in den 45 Zimmern Fenster und Bäder; der Rest wurde sanft renoviert. Die Räume leben von ihren Proportionen, Durchblicken und Ausblicken. Manche haben ein Balkon oder gar eine kleine Dachterrasse mit Außendusche.
Charakter und Komfort
Die teilweise sehr geräumigen Doppelzimmer und Juniorsuiten sind eingerichtet mit klassischen Schweizer Typenmöbel der 1950er Jahre, einer Auswahl aus Vitras Homecollection, bestehenden Möbel und von Staub-Feller entworfenen Bett- und Schrankelementen.
Statt sturer Perfektion wurde jedes Zimmer einzeln möbliert und verfügt oft über ein kleines Sofa und Sessel. Entstanden ist so ein fast privates Ambiente. „Die mit Bedacht eingesetzten Mittel bei der Erneuerung nehmen Rücksicht auf die erhaltenswerte Bausubstanz, Typologie und Ausstattung. Sie würdigt die mit frischer Gestaltungskraft eingefügten zeitgenössischen Ergänzungen und vor allem die Begeisterung, mit der die Betreiber das historische Stadthotel beleben und beseelen“, heißt es in der Begründung zur Auszeichnung „Historisches Hotel des Jahres 2007“.
Wohnbäder
2008 wurde die Dependance auf der gegenüberliegenden Straßenseite erneuert. Die ehemaligen Studentenwohnungen wurden in 12 Zimmer und Studios aufgeteilt. Das Gestaltungskonzept vom Haupthaus wurde dabei leicht variiert. Zum einen kann man hier mit noch mehr Möbel aus dem Programm von Vitra probewohnen (vom Poldersofa von Hella Jongerius über den Organic Chair von Charles Eames & Eero Saarinen bis zu einem Eames Lounge Chair). Zum anderen wurde das Konzept der Wohnbäder weitergeführt. Mal in einer ehemaligen Küche, mal in einer Ecke des Raums eingebaut, öffnen sich die Bäder zum Zimmer, ohne die inzwischen üblichen Glaswände. Ihren besonderen Charme erhalten die Bäder durch neu emaillierte Waschbecken aus dem ehemaligen Hotel National in Montreux. So manche Anregung findet sich hier für Zuhause.
Details statt Styling
Die Philosophie „Wir zeigen das Echte und pflegen das Detail“ ist kein Lippenbekenntnis. Es gibt viel zu entdecken: Die guten Betten erfreuen mit Daunendecken und Moltonunterlage (statt der üblichen feuchtigkeitsundurchlässigen Matratzenschoner auf denen man schnell schwitzt) und Leuchten wie in einem privaten Haushalt (mit warmen Glühbirnen). In den oft großzügigen Badezimmern steht Seife, Shampoo und Lotion von L’Occitane in großen Spendern zur Verfügung (Ökologie wird im Krafft ernst genommen, aber man trägt dies nicht vor sich her). In den Junior-Suiten gibt es auch Bademäntel (merkwürdigerweise aber keine Schlappen).
Der zweite Blick entdeckt neben einen Schirm, einer Jogging-Karte und einer Mobility Ticket (wie alle Hotels in Basel) das Buch „Steppenwolf“, welches Hermann Hesse hier im Zimmer 4.1 schrieb. Ein weiteres Buch – dessen Einband alte Vorhänge des Krafft ziert – erzählt die Geschichte des Hotels und erläutert das Gestaltungskonzept. Zudem gibt es Karaffen, die in jeder Etage an einer Bar mit gekühltem Wasser gefüllt werden können (mit und ohne Gas). Dort gibt es auch Äpfel, Tee (mehrere Sorten zur Auswahl), japanische Teekannen und -schalen um sich nach eigenem Gusto einen Tee zu brühen, Bücher, Spiele und ein Notebook mit Drucker zur freien Nutzung. In den Juniorsuiten stehen Espressomaschine und alles zur Teebereitung bereit. Nichts drängt sich auf, aber alles was man braucht ist da.
Was sind die Schattenseiten?
Aus ökologischen Gründen entschied man sich gegen eine Klimaanlage, sie würde in der Regel nur drei Wochen im Jahr genutzt. In den Zimmern stehen zwar schöne Ventilatoren (überhaupt, es gibt nichts Hässliches in diesem Haus) aber in diesem Sommer war es so heiß, dass es ohne offene Fenster nicht ging. Und dann wird es durch die Gäste auf der Promenade und dem Verkehr der nahen Brücke laut.
Die Einzelzimmer sind winzig (oft nicht mehr als 10 Quadratmeter inklusive Duschbad) wurden aber aufgrund der vielen Messegäste belassen.
Bei unserem Besuch hatte der Zimmerservice einen schlechten Tag: viele Details stimmten nicht, auf dem Frottee lagen lange Haare und das schöne Radio gab keinen Laut von sich.
Hotel Krafft
Rheingasse 12, 4058 Basel
T +41 (0)61 690 91 30
www.krafftbasel.ch, info@krafftbasel.ch
60 Zimmer, 77 Betten
80 Sitzplätze im Hauptrestaurant, 20 Sitzplätze im Schnoggeloch, 40 Personen in der Weinbar Consum, 100 Sitzplätze auf der Terrasse an der Rheinpromenade
Richtpreise: EZ CHF 170, DZ CHF 270, Juniorsuite CHF 320 (Preise pro Zimmer und Nacht inkl. Frühstück)
Veröffentlicht
Zuerst erschienen in gekürzter Form: „Inspirierend“, NZZ am Sonntag, 7. November 2010, Seite 96