15. Januar 2012
Viel Gemüse, ergänzt um etwas Fisch und mageres Fleisch, ist heute Standard für eine zeitgemäße Ernährung. Doch wie sich Eßgewohnheiten ändern, wandelt sich auch die Küchentechnik. Wer sich neu einrichtet, hat die Chance, bedürfnisgerecht zu planen und eine Kochwerkstatt statt einer Showküche zu planen.
Von Joachim Schirrmacher
„Im Gegenzug zu früher ist die körperliche Belastung geringer – die Ernährung ist heute aber energiereicher“, hält nüchtern das Standardwerk „Der junge Koch“ fest und folgert: „Wir essen zu viel, zu süß, zu fett. Wir nehmen zu viel Energie auf und damit an Gewicht zu.“ Das Fachbuch empfiehlt, was letzten Sommer die Botschaft der ZDF-Serie „Fett weg!“ war: „Stellen Sie Ihre Ernährung langfristig um, achten Sie auf die Energiedichte ihrer Lebensmittel und kochen Sie bewusst.“
Das Buch zur Serie sagt, dass man sich satt essen und auch seinem Geschmack folgen kann, dass Gro sollte aber eine Energiedichte unter 150 kcal/100g haben. Also viel Obst, Gemüse und Milchprodukte, etwas mageres Fleisch und Fisch. Das bedeutet Schinken statt Wurst, Kartoffeln statt Pommes-Frites, Pudding statt Schokolade. Köche wie Christian Rach und Holger Stromberg wissen, dass dies auf Dauer nicht ausreicht. „Der Appetit lässt sich nicht täuschen. Solange ihm etwas fehlt, lässt er uns weiter essen“, schreibt Rach in seinem neuen Buch „Rach kocht – lustvoll und gesund“. Gewürze, Kräuter und Aromen sind daher besonders wichtig, „damit auch der Kopf satt wird“, so Stromberg.
Zurück zu den Wurzeln
Wer sich mit viel frischem Gemüse ernähren möchte, braucht keine Küche als Außenstelle der Lebensmittelindustrie und kein Statussymbol in Form eines Salons, sondern eine Werkstatt, einen Ort der Produktion.
Die „Reaktivierung der menschlichen Hand und der körperlichen Anstrengung“ hat den Nebeneffekt „Sinn ins Leben“ zu bringen, wie es der Gestalter Otl Aicher in seiner bis heute einflussreichen Untersuchung für den Küchenhersteller Bulthaup „Die Küche zum Kochen“ schon Anfang der 1980er Jahre schrieb.
Vom Segen zum verhängnisvollen Standard
Schon bei der Planung des Grundriss gilt es zu entscheiden, wie offen die Küche zum Ess- und Wohnraum sein soll. Denn das heutige Leitbild eines großen Allraums hat gravierende Nachteile. Trotz immer besser Dunstabzugshauben sowie leiserer Geschirrspüler und Kühlschränke bleibt die Geruchs- und Lärmbelästigung stark.
Bei der Entscheidung hilft ein Blick zurück. Die „Frankfurter Küche“, sie gilt als Mutter aller Einbauküchen, die Grete Schütte-Lihotzky 1923 entwarf, war für die „Wohnung für das Existenzminimum“ ein Segen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die 6,5 qm Küche zum verhängnisvollen Standard. Die überbreite zweite Tür zum Nebenraum, wo die Kinder spielten und der Esstisch stand, wurde eingespart, die Frau damit eingesperrt.
Die Küche zum kochen, essen und reden
Erst mit Aichers Untersuchung fielen die Wände. Er propagierte eine zum Wohnraum offene „Küche zum Kochen“ die zugleich ein „Lebensraum für Begegnung und Kommunikation“ war. Auch Aichers Küchenrevolution wurde missverstanden. Die Immobilienwirtschaft erkannte schnell, dass sie mit Aichers Argument der Kommunikation die Häuser tiefer bauen und damit mehr Quadratmeter pro Grundstück verkaufen konnte. Seitdem wird die Küche oft ins Innere der Häuser verbannt. Übersehen wurde, dass Aicher die Kochwerkstatt beispielhaft auf 9,40 und 12,50 Quadratmetern plante und eine fexibel Öffnung zum Eß- oder Wohnraum vorsah.
Wer selber baut, kommt dem Ideal wohl nahe, wenn er eine Kochwerkstatt mit Essplatz, ein Speisezimmer und ein Wohnzimmer als Enfilade mit großen Schiebe- oder Drehtüren plant. Oder eine größere Wohnküche und ein separtes TV-Zimmer. Dann bleibt ein Wohnraum ohne Gerüche und die Geräusche von Heißluft und Haube stören nicht den Genuss von Händel.
Die Wunschliste
Erster Schritt bei der Küchenplanung ist, sich seiner Gewohnheiten und Wünsche bewusst zu werden. Welchen Stellenwert haben die Küche und das Kochen? Was hat bisher Spaß gemacht, was Verdruß bereitet? Was braucht man, und was will man? Entscheidend ist: Die Küche muss gefallen und mit den Lebens- und Eßgewonheiten harmonieren. Will man nur am Wochenende oder täglich, dann aber fix, kochen? Soll auch Brot gebacken oder Marmelade eingemacht werden? Wie viele Leute kochen und essen, im Alltag und bei Anlässen? Will man für jeden Sonderfall gewappnet sein, oder darf auch improvisiert werden? Nicht unerheblich ist, ehrlich einzuschätzen, was man selber in der Küche handwerklich leisten kann.
Dann kommen die Fakten: Wie passt die Küche in den Raum? Wie werden die Arbeitsbereiche Rüsten, Kochen, Anrichten, Spülen verteilt?
Entscheidungen treffen
Entscheiden muss man: Welche Geräte helfen tatsächlich beim Kochen und welche nur den Bilanzen der Industrie? Informieren Sie sich sorgfältig, leider kann man die Geräte nur selten ausprobieren (was überaus sinnvoll wäre). Hilfreich sind einschlägige Fachbücher wie etwa „Kochwerkstatt – Küchentechnik, Handwerkszeug, 1000 Tipps & Tricks“ oder in Internet das Küchen Forum.
Planen Sie Platz für künftige Wünsche ein. Das Brotbacken kann soviel Freude machen, dass man sich vielleicht bald eine Küchenmaschine für das Teigkneten wünscht.
Oft wird die Planung des Stauraums vernachlässigt. Machen Sie eine Skizze wo Ihre Geräte, Geschirr und Lebensmittel untergebracht werden. Alles, was häufig gebraucht wird, sollte in bequemer Griffhöhe verstaut bzw. eingebaut werden. Sollen auch Putzschrank und Waschmaschine in die Küche? Wo ist Platz für hohe Flaschen, für Gewürze, Öle und Essige; wo für Geschirrtücher, Telefon und Notizblock?
Was hilft nur der Industrie?
Nicht alles was angeboten wird, hilft. 90cm Schubladen bieten zwar viel Platz und Übersicht, sind aber schnell im Weg, wenn man zu zweit in einer kleinen Küche arbeitet. Offene Regale sehen gut aus, doch wird das Geschirr wirklich jede Woche genutzt und damit gereinigt? Eckschränke und Apothekenschrank machen dem Verkäufer oft mehr Freude, als sie Sinn in der Küche ergeben. Gut nutzbaren Stauraum bieten Vollauszüge in den Unterschränken und viele Böden in den Oberschränken (meist reicht ein Abstand von 15 oder 20 cm).
Die großen Küchenpioniere – ob Hans Hilfiker, Terence Conran oder Otl Aicher – sind sich einig: in die Küche kommt die Farbe durch die Lebensmittel. Wenn man sich auf Weiß, Grau, Schwarz, Holz und Edelstahl beschränkt (auch bei allem Werkzeug) entsteht eine ruhige Optik.
Jede Küche ist anders
Eine gute Küche entsteht nicht im Computer, sondern im Leben. Das eigene Kochen ändert sich immer wieder, etwa wenn man die asiatische Küche mit Schwerpunkt Korea entdeckt. Auch Terence Conran und Otl Aicher haben ihre Küchen im Laufe der Jahre immer wieder verändert. Fähige Schreiner sind hier ein Glück. Doch auch mit nur wenig handwerklichem Geschick lassen sich Möbel leicht einfügen oder rausnehmen. Früher gab es zu diesem Zweck Anbauküchen, heute ist das System von Ikea geeignet. Denn eine perfekte Designerküche ist zwar schön, doch leider teuer. Viel Geld spart, wer sachorientiert statt markenorientiert wählt. Eine gute Kochwerkwerkstatt muss nicht 20.000 Euro kosten. Schöne Möbel helfen nicht beim Kochen, gutes Gerät und Werkzeug hingegen sehr. Eine sorgfältige Planung trägt mehr als die gute Optik dazu bei, dass die Zeit in der Küche zu einer lustvollen Freizeit wird oder nicht in unbequeme Arbeit ausufert.