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Berliner Modewoche
21. August 2014

Tim Labenda erhielt den 1. Preis beim Wettbewerb „Start Your Fashion Business 2014“ des Berliner Senats.

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© Stefan Kraul

Quo vadis, Berlin Fashion Week? Die einen sehen sie in der Krise, die anderen freuen sich, dass endlich Substanz sichtbar wird. Nennen wir es doch einfach Wandel.

Von Joachim Schirrmacher

Mode, das waren in Deutschland einst große Unternehmen: Hugo Boss, Esprit oder Steilmann. Über Designer sprach keiner, selbst Jil Sander und Wolfgang Joop blieben Randfiguren. Das hat sich grundlegend gewandelt.

Trotz deutlich schwächerer Frequenz bei der jüngsten Mercedes-Benz Fashion Week, trotz angekündigtem Teil-Umzug der Bread & Butter nach Barcelona hat sich über Jahre in Berlin ein Kern von Designern gebildet, die jetzt die Modewoche rockten: Hien Le, Vladimir Karaleev, Perret Schaad, Michael Sontag, Augustin Teboul, Dawid Tomaszewski und nicht zu vergessen, Dorothee Schumacher.

 

Raffiniert und realistisch
Auch die nächste Generation überzeugt, so die Preisträger des European Fashion Award FASHTim Labenda, Gewinner FASH 2013, gehört nach zahlreichen weiteren Auszeichungen für die Textilwirschaft „zu den besten Designtalenten Deutschlands“. Und die Kollektion von Ioana Ciolacu (FASH 2011) als „Designer for Tomorrow“ war für Elle ein Highlight der Modewoche.

Sie alle, ob jung oder alt, entwickeln sich von Saison zu Saison weiter. Sie zeigen keine Ego-Show, sondern konzentrieren sich auf das Produkt. Ihre Entwürfe sind raffiniert und realistisch. Sie bieten mit ihren unverwechselbaren Stilen Persönlichkeit, Qualität und tragbare Mode zugleich. Sie sind damit die Alternative, die der Handel zur Massenmode sucht.

Vertikal und Virtuell
Die Berliner Designer treffen auf einen tiefgehenden Wandel. Heute liegen die Wettbewerbsvorteile in den Geschäftsmodellen, weniger in der Mode. Junge Unternehmen wie Brand4Friends, Ebay, HSE24, die Otto-Tochter Collins oder Zalando spielen, geprägt von ihrer Start-up Kultur, nach ganz neuen Regeln. Sie sind eher Verleger und reagieren schnell auf die massive Verschiebung des Kundeninteresses von Massenware zu kleinen spitzen Sortimenten, indem mit Designern wie Malaika Raiss, C’est tout oder Tim Labenda Kollekionen lancieren.

Sie haben in Berlin Designbüros eröffnet, deren neue Mitarbeiter Know-how von Zara, Mango, H&M oder Topshop in die Hauptstadt bringen.
Warum sich noch mit schwerfälligen Strukuren belasten? Etwa so wie Hugo Boss. Der Modemulti hat gerade für 100 Millionen ein neues Logistik-Center eröffnet, um in wenigen Jahren 80 Prozent des Umsatzes in den eigenen Läden realisieren zu können.

Die Zukunft sieht vielleicht eher so aus wie in der Berliner Linienstraße bei C’est tout. Statt ein eigens Modehaus aufzubauen, arbeiten die Stylistin Katja Will und der Kaufmann Michael Will als virtuelles Unternehmen. Zu zweit steuern sie drei Kollektionen, alle weiteren Arbeiten sind outgesourcht. Ihre Label C’est tout verkaufen sie an 40 Läden, C’est Paris im TV Shopping-Kanal HSE24 und Ce’nou, entworfen mit Eva Padberg, über Ebay.

Ein mögliches Erfolgsrezept: Eine starke Geschichte, starke Vertriebspartner die Aufmerksamkeit und Kunden bringen und dabei mit virtuellen Strukturen wendig wie ein Schnellboot sein.
Eine clevere und kraftvolle Kombination die so manche Marke alt aussehen lässt. Denn sie haben nicht nur schwerfällige Strukturen, Marken verlieren vor allem an Strahlkraft: Ihre Botschaft zerrinnt in immer mehr Kanälen, sie sind zu unpersönlich und austauschbar, es bleiben zu oft Massenprodukte in Marketinghüllen.

An sich selber glauben
Die Chancen für Berlin stehen also gut als Modestadt eine ganz eigene Kultur aufzubauen. Allerdings fehlen die Strukturen um Zusammenhalten zu organisieren. Die Branche hat keinen Think-Thank, keine Interessenvertretung und kein Fashion Council. So wird es schwierig einen Termin zu etablieren, der es den internationalen Journalisten und Einkäufern ermöglicht neben Mailand und Paris für zwei Tage nach Berlin zu kommen. Und es fehlen die Organe um mit den Wirtschafts- und die Kulturpolitikern zu verhandeln und zwar auch auf Bundesebene.

Es braucht zudem mehr Selbstbewusstsein. Warum muss es immer gleich Weltklasse sein? Auch in Paris, New York und Mailand schaffen das nur wenige. Mit realistischen Glauben an sich selber und ständiger Weiterentwicklung wird sich Berlin eine gewichtige Stimme in der Welt der Mode erarbeiten. Die Designer machen es vor.

Veröffentlicht
Textil Network, September/Oktober 2014, Seite 18 – 19, „Endlich Substanz

 

 

Kategorie: - Berlin Fashion Week, Mode - Kommentare(0)
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