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Design-Wettbewerb der Fraunhofer-Gesellschaft
15. April 2017

Präsentation von Fruitvoltaik. © Marc Müller

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Ein hoch dotierter Wettbewerb der Fraunhofer-Gesellschaft zeigt das Potenzial der Vernetzung von Wissenschaft und Design: An zwei deutschen Hochschulen kooperierten Fraunhofer-Forscher mit Designstudierenden, um für Technologien, die noch nicht am Markt sind, Produktkonzepte zu entwickeln. Joachim Schirrmacher hat sich das Projekt angesehen.

Sakko versus zerzauste Haare, PowerPoint versus PDF, Windows versus Mac, Berufserfahrung versus studentische Freiheit. Deutlicher könnten die Kulturen nicht aufeinanderprallen. Es ist der Auftakt des Designwettbewerbs »Form Follows Future« der Fraunhofer-Gesellschaft an der Universität der Künste Berlin (UdK) im November letzten Jahres. Wenige Tage zuvor fand ein ähnlicher Workshop an der Hochschule München statt. Ziel des Wettbewerbs, zu dem beide Lehranstalten eingeladen wurden, ist es, Forschungsarbeit in visionäre Produktideen zu übersetzen – und zwar in der Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Designstudierenden. »Als Anreiz haben wir Technologien ausgesucht, die noch nicht auf dem Markt sind«, sagt Michael Edelwirth, Leiter Interne Forschungsprogramme bei Fraunhofer.
Mit einem Gesamtbudget von knapp 250.000 Euro ist der Wettbewerb, dessen Ergebnisse im Februar auf dem Fraunhofer-Symposium »Netzwert« vorgestellt wurden, finanziell gut aufgestellt. Die zwei ersten Preise sind mit je 10.000 Euro, die zweiten Preise mit je 7.000 Euro dotiert. Zudem erhalten die vier Gewinnerteams, in Kooperation mit der SYN-Stiftung, dreimonatige Stipendien zur Umsetzung ihrer Idee im Wert von je 25.000 Euro.

600 MPS @ 50m?
Auf den eingangs erwähnten Auftaktveranstaltungen entscheidet sich, wer mit wem zusammenarbeiten wird. An der UdK in Berlin treffen 20 junge Designer auf zwölf Ingenieure. Die Anforderungen an die Studierenden aus den Bereichen Visuelle Kommunikation, Produkt, New Media, Mode und Architektur sind hoch. Wer versteht auf Anhieb, was ein »Modulsystem aus pultrudierten Kompositprofilen mit elektrokontaktischer Klebeverbindung« ist? Was bedeuten die »600 MPS @ 50m«? Wer kann in wenigen Minuten Technologie einschätzen, neue Anwendungsfelder entdecken? Aber auch die Fraunhofer-Ingenieure begeben sich erkennbar auf neues Terrain. Sie müssen für ihre Projekte werben, damit die Studierenden sie auswählen, erst dann gibt es 500 Euro Prämie. Nicht jedem gelingt es. Das Vermitteln der eigenen Arbeit an Fachfremde gehört erkennbar nicht zur Ingenieursausbildung.

Hartes Ringen
Letztlich finden sich sieben Teams in Berlin und neun in München. Insgesamt treten 16 Ingenieure und 23 junge Designer den Wettbewerb an. Die Frage, was realisierbar ist, wird energisch diskutiert. Nicht einfach, wenn ein 22-jähriger Student auf einen durchsetzungsstarken Ingenieur trifft – und trotzdem lassen sich die Parteien erfolgreich aufeinander ein. Besuche an den Instituten folgen, ebenso stundenlange Gesprächen per Skype – sogar Freundschaften entstehen. Aber es gibt auch ein hartes Ringen, inklusive Krisentreffen: »Die Ingenieure wollen ihre Technik nicht weiterdenken, wir sollen es nur hübsch machen«, so die jungen Designer. Die Frage, was realisierbar ist, wird energisch diskutiert.

Es braucht viel Wissen und Erfahrung
Als besonders wichtig erweisen sich die Zwischenpräsentationen. Es braucht viel Wissen und Erfahrung, um Potenziale und Marktchancen zu erkennen sowie die Entwürfe der Studierenden auf einen Kern zu reduzieren. Anders als an der Hochschule München, wo Prof. Peter Naumann die Studierenden intensiv begleitet, ist der Wettbewerb an der UdK bei Prof. Kora Kimpel keine Studienleistung, die Teilnahme der deutlich älteren Studierenden also freiwillig, die Betreuung eher lose.

Relevante Ergebnisse
Die Ergebnisse überzeugen. Offenbar angeregt durch die Technologien und Diskussionen mit den Ingenieuren, entstehen keine Luxusprodukte oder das x-te Gadget, sondern relevante Lösungen. Viele Entwürfe wirken so einfach, plausibel und selbstverständlich, dass man sich fragt: Warum gibt es das nicht schon längst? Eine große Leistung.
So wurde aus einem Material, gedacht für die Schwingungsminderung bei Schiffen und Flugzeugen, ein medizinisches Korsett mit Chic für junge Mädchen (1. Preis München). Aus einem Wearable mit modularen Sensoren entstand ein tragbares Labor (2. Preis Berlin). Und während Ingenieure die Kräfte einer Formgedächtnislegierung nutzten, um einen Tankdeckel einfacher zu öffnen, entwarfen die Studierenden daraus einen autarken Pumpenantrieb für afrikanische Länder. »Diese neuen Anwendungsgebiete haben uns alle überrascht. Wir sind es gewohnt, technische Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln, Designer denken hier häufig interdisziplinärer«, sagt Björn Schmalfuss, einer der Projektleiter von Fraunhofer.

Fehlende Kommunikation
Trotz aller Erfolge, auch der Wettbewerb »Form Follows Future« zeigt:  Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial für ergebnisoffene Kooperationen wie diese. Hier treffen Arbeitskulturen und Weltsichten aufeinander, die oftmals geradezu gegensätzlich sind. So ist die Fachsprache der Designer visuell und nicht verbal geprägt, ein Entwurf erfährt durch Veröffentlichungen einen gewissen Designschutz, für Patentanmeldungen sind sie hingegen schädlich.
Projekte dieser Art müssen daher gut moderiert werden, was etwa an der UdK, wie Kora Kimpel selbstkritisch anmerkt, nicht immer der Fall war. So fehlte beispielsweise die Gelegenheit, sich erst einmal informell zu begegnen, die Denk- und Sichtweisen des jeweils anderen kennenzulernen, sich anzunähern. Das verwundert, da nicht nur mit Kimpel, sondern auch mit Martina Schraudner, Leiterin des Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation, zwei Expertinnen beteiligt waren, welche genau diese Prozesse erforschen.
Trotzdem: Bei Fraunhofer wurde das Potenzial von Design erkannt. Jetzt wird überlegt, wie es künftig genutzt werden kann. Präsident Reimund Neugebauer ist überzeugt, »dass sich Innovationsprozesse verbessern lassen, wenn wir enger mit Designern zusammenarbeiten«.

Veröffentlicht
Zuerst erschienen: Design Report, 2 / 2017 S. 80–83

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