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Reise Kultur- und Kreativwirtschaft
15. Juli 2009

Der neue Campus der Diakonie Düsseldorf der Architekten Baumschlager & Eberle.

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© Özgür Albayrak

Die Kultur- und Kreativwirtschaft gilt als Wachstumsbranche mit Zukunft und hat speziell in Deutschland und in der Schweiz viel zu bieten. Ein Reisebericht.

Von Joachim Schirrmacher

Erlesene Weine aus Gläsern von Theresienthal, die einst für den Zaren entworfen wurden. Wohnungslose, denen die Diakonie Düsseldorf in Zusammenarbeit mit dem Künstler Mischa Kuball mittels des Shelter einen Ort bietet, der auch ein Szene-Cafè sein könnte. Aufsehnerregende Bauten wie die Zollverein School der japanischen Architekten Sanaa auf der einst größten Kohlenzeche – oder die Klarheit der Vision von Gerd Bulthaup, der zum weltweiten Marktführer von Premiumküchen wurde. Das waren nur einige von über 40 Programmpunkten und Stationen einer zehntägigen Reise durch Deutschland und die Schweiz, an der 15 Journalisten aus Asien, Lateinamerika und Europa auf Einladung des Auswärtigen Amts Deutschlands und des Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten der Schweiz teilnahmen.

Anlass der Reise war, dass Deutschland international zwar bekannt für seine technischen Innovationen ist – vom Buchdruck (Gutenberg) über das Automobil (Mercedes-Benz) bis zum MP3-Technologie (Frauenhofer).

Doch auch die Kultur- und Kreativwirtschaft hat eine große Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Sie umfasst elf Teilmärkte: Musik, Buch, Kunst, Film, Rundfunk, Darstellende Künste, Design, Architektur, Presse, Werbung sowie Software/Games. Der gemeinsame und definierende Kern ist der schöpferische Akt. Laut dem im Frühjahr vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten Forschungsbericht „Gesamtwirtschaftliche Perspektiven der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland“ leistete die Kultur- und Kreativwirtschaft 2006 einen Bruttowertschöpfungsbetrag von 61 Milliarden Euro. Sie liegt damit zwar hinter der Automobilindustrie (71 Milliarden Euro) jedoch deutlich vor der Chemieindustrie (49 Milliarden Euro).

Auch in der Schweiz hat die Kultur- und Kreativwirtschaft, insbesondere die sehr dynamische Design-, Kunst- und Architekturszene, starken Einfluss auf die Wirtschaft. Dort zählt inzwischen mehr als ein Zehntel der gesamten Wirtschaft zur Kreativwirtschaft.

„Die Kreativwirtschaft in Deutschland zeigt, wie eine post-industrielle Ökonomie aussehen kann. Alle Orte die wir besuchten zeichneten sich durch eine Investition in Kultur aus, inklusive der Kultur zwischenmenschlicher Kommunikation. Beispielsweise das Pflegeheim „Wichern-Haus“ der Diakonie Düsseldorf. Mit seinen modernen Möbeln und den erhöhten Gartenbeeten für die an Adolozenz erkrankten ist es überwältigend“, zeigte sich der Verleger und Chefredakteur der Moskauer Tageszeitung „Nezavisimaja Gazeta“, Professor Konstantin Remchukov, beeindruckt.

Small is beautiful.

„Ich finde vor allem interessant, wie relevant häufig auch sehr kleine Firmen sind“, befand Javier Barreiro, Chefredakteur der internationalen Fachzeitschrift für Architektur und Design „Arquine“ aus Mexiko.

So hat der Think Thank für Architektur und Städteplanung, ISA Internationales Stadtbauatelier aus Stuttgart, zwar nur zehn Mitarbeiter, aktuell aber zehn Städte im Bau, vor allem im asiatischen Raum. „Wir sind zwar ein kleines Büro, aber mit sehr hoher Qualifikation und viel Erfahrung“, sagte der Gründer Prof. Michael Trieb bei seiner Präsentation.

Die beiden Berlinerinnen Clara Leskovar und Doreen Schulz von dem Modelabel c.neeon entwerfen nicht nur Textil- und Modedesign, sie organisieren auch die Produktion und liefern an Einzelhändler in 17 Ländern. Außerdem setzen sie zahlreiche Sonderprojekte für Unternehmen wie H&M, Vorwerk oder Volkswagen um.

Ein weiteres Beispiel für die Innovationskraft der Kreativwirtschaft ist Alexander Neumeister. Er berichtete auf der Bahnfahrt von Leipzig nach München von seiner Arbeit. Er hat nicht nur die neuesten Generationen von Deutschlands Hochgeschwindigkeitszug, den ICE3 und ICE-T gestaltet, der zum Exportschlager wurde und heute in modifizierter Form in Spanien, China und Russland fährt. Er entwarf auch den 500 Stundenkilometer  schnellen Testzug des MagLev „Transrapid“ oder Japans Shinkansen „Nozomi 500“. Zudem gestaltetet das 12-Mann Büro Metros und Regional Züge für Kunden in aller Welt.

„Das ist schon ein ganz spezifischer Geist, der dazu führt, dass sich in Deutschland die Kreativität von Generation zu Generation neu erfindet“, sagte Yuling Zhang von der chinesischen Tageszeitung „Guangming Daily“, nachdem sie ein Hauskonzert der Mezzo-Sopranistin Alexandra Röseler und des Pianisten David Timm im Art-­déco-Haus des Leipzigers Herbert Staffa gehört hatte.

Zu sehen, wie das Neue aus dem Alten erwächst, davon waren auch viele andere Teilnehmer beeindruckt: „Projekte wie die Baumwollspinnerei in Leipzig, die Zeche Zollverein in Essen, die Hafencity in Hamburg oder der Flughafen Tempelhof, wo die Modemesse „Bread and Butter“ stattfindet, sind faszinierende Orte, an denen aus Altem etwas Neues entsteht“, schwärmte die Buchautorin Marcia Iwatate aus Tokio.

Ihr Kollege Dr. Jerry Chong, der als Autor und Generalsekretär des International Council of Interior Architects and Designers (ICIAD) aus Kuala Lumpur einen guten Überblick über die rasant wachsende Städte Asiens hat sagt: „Die Hamburger Hafencity ist die Stadt der Zukunft. Das Arrangement feinster Avantgarde Architektur zeigt die ambitionierte Entwicklung der Innenstadt von Hamburg. Eine Stadt, die über eine reiche Kulturszene verfügt und viel Kreativität ausstrahlt.“

Neben den Besichtigungen gehörte die persönliche Begegnung mit Kreativen zu den Höhepunkten. So beim Grillen auf der Dachterrasse des Leipziger Galeristen Gerd Harry Lybke, wo es Gespräche mit Künstlern wie Matthias Weischer, Christiane Baumgartner, Maix Mayer, Hans Aichinger oder Edgar Leciejewski gab.

Ein wichtiges Instrument der Public Diplomacy

Das Besucherprogramm der Bundesregierung, zu dem im Jahr rund 1.000 Multiplikatoren eingeladen werden, ist eines der wichtigsten Instrumente der Public Diplomacy. Durch die Unmittelbarkeit der Erfahrung, die sinnlichen Eindrücke, und so hohe Glaubwürdigkeit sowie die Unabhängigkeit und Fachkompetenzen der mit der Umsetzung beauftragten Partner, ist es eines der nachhaltig wirksamsten Instrumente deutscher Öffentlichkeitsarbeit im Ausland. Neben Klimaschutz oder 20 Jahre Fall der Mauer ist dieses Jahr Innovation und Kreativität eines der Schwerpunktthemen des Besucherprogramms.

Diese Reise, durch das Goethe-Institut implementiert und durch die Deutsche Zentrale für Tourismus unterstützt wurde, hatte gleich mehrfachen Pilotcharakter. Die Kooperation mit der Schweiz war ein erster Schritt zur Entwicklung eines europäischen Besucherprogramms; die Einbeziehung von Sponsoren aus der Wirtschaft hat die Netzwerkbildung gestärkt. Und die Gestaltung von Einladung und Programm durch das Berliner Bureau Mario Lombardo hat die notwendige Glaubwürdigkeit gegeben. Yenny Cáceres, Chefredakteurin Kultur der Tageszeitung „Qué Pasa“ aus Chile, fasst die Reise zusammen. „Es war zwar anstrengend, aber unvergesslich.“

Veröffentlicht

Deutschland 4/2009: „Kreative Kompetenz„, S. 20 – 21

Kategorie: Architektur, Design, Kunst, Medien, Mode, Reisen, Veranstaltungen - Kommentare(0)
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