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ispo - Die Zukunft der Messen
12. Februar 2010

Die größte Sportartikelmesse der Welt ispo war der Auftakt für ein starkes Sportjahr: heute beginnen die Olympischen Winterspiele in Vancouver, im Sommer findet die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika statt. Und so war es für die Einen die beste Messe aller Zeiten – Zahlen, Stimmung, Qualität – bei anderen herrschte Verzagtheit: wird es 2010 wieder 20 Prozent Umsatzwachstum geben?

Als ob Sportler nicht am besten wissen, das es im Leben nie nur aufwärts geht. Obwohl über 64.000 Besucher nach München kamen, sind es nur sehr wenige Köpfe, welche die gesamte Branche vorantreiben. Einer davon ist Hans-Jürgen Hübner. Er hat das Schweizer Unternehmen Schoeller zu einem der weltweit führenden Anbieter von Funktionstextilien gemacht. Den Mitsechziger (er sucht einen Nachfolger) treibt die Frage um: Verstehen uns unsere Kunden eigentlich noch? Denn der Einkauf von Sportkleidung ist bald komplizierter als der Kauf eines Autos. Dies liegt zum einen an den vielen technischen Funktionen von Sportbekleidung, zum anderen am steigenden Umweltinteresse. Es braucht neue Formen der Kommunikation. Spontane Idee: So wie man auf einer Webseite die Sprache wählen kann, könnte man ja auch die Darstellungstiefe differenzieren: Fakten oder Emotionen, Frauen oder Männer.

Skandinavian Speed

Skandinavier gelten ja eher als gemütliche Menschen. Umso überraschender die Speed-Pressekonferenz der Scandinavian Outdoor Group (SOG): in 40 Minuten präsentierten 12 Unternehmen ihr jeweiliges Highlight. Zudem stellte die SOG ihre „Outdoor Academy“ vor, wo Händler bei z.B. bei einer Ski-Tour im Rondane National Park (Norway) die Ware eine Woche im Gebrauch kennen lernen können – drei Nächte davon im Zelt. Soviel Power kommt nicht von ungefähr. Martin Kössler hält die Unternehmen, die zusammen 1 Milliarde Euro Umsatz erwirtschaften und 1.800 Jahre Erfahrung vereinen, als General-Sekretär nicht nur zusammen, sondern macht auch der schwedischen Regierung klar, wie effiziente und moderne Wirtschaftsförderung aussieht.

Emotionale Inszenierung

Leider findet sich diese Kraft und Klarheit nicht in der Messehalle wieder. Die Stände sehen meist aus wie Warenlager. Das Problem: Die ispo gibt es seit 40 Jahren. Man kennt sich, keiner wagt Experimente, alle wollen ihre Gewinne steigern. Dabei wird übersehen, dass gerade alte Beziehungen gepflegt werden wollen. Händler und Journalisten brauchen das Gefühl: die sind so cool, da will ich zugehören. Diese Motivation treibt Geschäfte wie Hefe an, Gewinne sind eine Folge. Übersehen wird auch, dass sich die Sehgewohnheiten in den letzten Jahren stark verändert haben. Anders als Jeans, deren Image zumeist teuer künstlich aufgeblasen werden muss, hat der Sport drei große Vorteile: Er ist Emotion pur, er hat mit seinen technischen Produkten of handfeste Argumente und er liegt im Trend. Doch Emotion muss bei dem Wettbewerb von 2045 Ausstellern um die Aufmerksamkeit der Händler anders übersetzt werden als mit den immer gleichen Landschaftsfotos oder den immer gleichen Tricks der Boarder. Zum Glück gibt es zwei Best-Pratice-Beispiele: Im Messegeschäft hat die Bread and Butter in Berlin mit ihrer starken emotionalen Inszenierung für weltweit neue Maßstäbe gesorgt.

Im Einzelhandel hat Globetrotter gezeigt wie so ein Weg aussehen kann: Seit 2004 wurde aus dem „Spezialgeschäft für Expeditionen, Safaris, Survival, Trekking“ Erlebniswelten mit Kältekammer, Klettertunnel, Aquarium, Reiseklinik, Restaurant oder Tauchbecken. Ein sehr spannendes Thema für Projekte an der Uni oder für Abschlussarbeiten – am besten in interdisziplinären Projekten mit Designern, Fotografen, Kommunikationsspezialisten, Event-Profis, Betriebswirten und in Kooperation mit Unternehmen.

Ein gordischer Knoten

Beim Dinner zu Ehren von Oliver Kahn sitze ich neben Peter Waeber, Kopf von bluesign technologies aus St.Gallen. Er will die Herstellung umweltfreundlicher Textilien revolutionieren. Statt zu kontrollieren wie stark die fertigen Kleider kontaminiert sind, zertifiziert der bluesign Standard was in die Kette hineinkommt – von den Rohmaterialien, Energieaufwand, Abwasser und Abluftbelastung bis zum Arbeitsschutz. Waeber sagt, dass für den Anbau von einem Kilo Baumwolle 15 Gramm Pestizide eingesetzt werden. Doch kaum einer spricht darüber, dass für die Verarbeitung, das Färben und Veredeln pro Kilo Baumwolle 300 bis 1.000 Gramm Chemikalien eingesetzt werden. Doch die Materie ist so komplex, dass selbst Experten passen müssen. Wie kommuniziert man dies, zumal viele Hersteller eine „intel-inside“-Strategie ablehnen? Hier gilt es noch einen gordischen Knoten zu zerschlagen. Auch hier bin ich gespannt was an den Hochschulen erarbeitet wird.

Active Couture

Conroy Nachtigall aus Vancouver ist als Designer von Arc’teryx (der Apple unter den Outdoorfirmen) für die neue „technical Menswearlinie“ Veilance verantwortlich. Als Quereinsteiger – Nachtigall war Bildhauer bevor er 1996 Mode am Saint Martins College of Art and Design in London studierte – geht es für ihn bei Mode um Identität. Seine Kollektion ist noch leicht zu übersehen, denn es gibt sie erst in sechs Läden weltweit. Dennoch ist Veilance keine Kopfgeburt. Da Arc’teryx an die Amer-Gruppe verkauft wurde, gibt es einen Wachstumsdruck. Dafür braucht es neue Märkte. Und der von Veilance ist spannend aber weitgehend unbeachtet.

Er basiert auf der Beobachtung, dass ein Rennradler und ein Banker nicht zwei unterschiedliche Zielgruppen sind. Vom Schreibtisch auf das Fahrrad, aus dem Koffer zur Pressekonferenz: Kunden suchen die Verbindung von Fashion und Funktion: Schlicht im Look, edel im Material. Aber auch praktisch, flexibel, pflegeleicht, knitterarm, gut zu kombinieren, leicht, mit geringem Packmaß, atmungsaktiv, wasserabweisend und winddicht. Doch während die Modewelt vor allem auf den Look und Schnitt achtet, konzentriert sich die Sportbranche auf die Funktion. Die Verbindung dieser beiden Welten fehlt. Es geht um mehr als neue Styles: es geht um neue Geschäftsmodelle und strategisches Designmanagement.

Veröffentlicht

Young Germany: „How to combine functin and emotion“, 12. Februar 2010

Kategorie: Messen, Mode, Sport - Kommentare(0)
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